Wie sich Wahrnehmung verdienen?
Ben Knapp (Chief Strategy Officer - Saffron Brand Consultants) im Interview mit Kimberly Bradley von NOMAD #2
Ben hat früh angefangen und gründete noch vor Studienbeginn eine Designfirma in Wien. Nach dem Studienabschluss baute er zunächst seine Firma mehrere Jahre lang aus, bis ein weiterführendes Studium ihn nach London führte. In dieser Zeit lernte er Wally Olins kennen, verkaufte seine Firma und fing 2006 bei Saffron an. Hier war er für eine Vielzahl von Kunden tätig, unter anderem für das Royal Opera House London und für A1 Telekom Austria, an deren ebranding er mitgewirkt hat. Er hat umfassend mit Kunden aus dem Technologie- und Kommunikationssektor wie Fujitsu, Belgacom, Turkcell und Mobiltel Bulgaria zusammengearbeitet, und hat an Ortsmarken wie London, Durham, Nordirland und Polen mitgewirkt. In jüngster Vergangenheit hat er Saffrons Arbeit am nationalen Branding-Programm von Trinidad & Tobago geleitet. Anfang 2008 eröffnete Ben die Saffron-Geschäftsstelle in Mumbai. Seit 2010 leitet er Saffrons Expansion in Mitteleuropa von Berlin und Wien aus, wo er den Technologiekonzern Voith, das soziale Netzwerk Xing, Raiffeisen Bank International und Bwin beraten hat.


Kimberly
Wie definieren Sie „Nation Branding“? Das ist ein recht eigenartiger Begriff. Im Grunde ist eine Nation ja kein kommerzieller Betrieb, oder?
Ben
Es ist hilfreich, das Wort „Marke“ gegen „Ruf “ oder „Image“ oder Wahrnehmung“ auszutauschen. Der Begriff „Marke“ könnte von manchem als ein sehr kommerzieller, merkantiler, vielleicht sogar krasser Ausdruck für eine Nation oder Stadt gesehen werden. In diesem Fall von Wahrnehmung zu sprechen, wäre hilfreich. Für die meisten Orte ist diese Wahrnehmung entweder „Kenne ich nicht“, „Habe ich noch nie gehört“ oder „Ist mir gleichgültig“. Oder es ist eine falsche Wahrnehmung, das heißt, dass Sie schlecht über einen Ort denken oder auf eine nicht den Fakten entsprechende Art und Weise. Oder aber Ihre Wahrnehmung ist gut, in welchem Fall Sie womöglich besser über den Ort denken, als die Fakten und Pluspunkte eigentlich verdient haben. Das Ziel von Nation Branding ist es, die Lücke zu schließen, die zwischen den Fakten und Pluspunkten eines Ortes und der Wahrnehmung, die Menschen von diesem Ort haben, besteht. Ist die Wahrnehmung eines Ortes positiv, werden wir natürlich nicht versuchen, sie zu verschlechtern! Das Ziel ist, Wahrnehmungen zu haben, die durch einen Besuch oder ein Gespräch mit jemandem, der mit dem Ort vertraut ist, erhärtet werden. Die Erwartungen von Menschen sollen erfüllt, nicht enttäuscht werden. Wir möchten vermeiden, dass sich Besucher oder Investoren einen Ort völlig anders vorstellen, als er ist. Man erwartet zum Beispiel einen modernen, urbanen Ort und kommt an, und die Internetverbindung ist schlecht und alle Läden haben sonntags geschlossen.
Kimberly
Wie hier in Wien.
Ben
Leute kommen nach Wien und erwarten eine Großstadt, und dann können sie sonntags nicht einkaufen gehen. Aber wenn Leute vorher über diese Dinge Bescheid wissen, finden sie es charmant. Dasselbe gilt auch für Nationen: Angestrebt wird ein Zustand, wo Leute wissen, was sie erwartet, weil sie dann auf die Erlebnisse, die auf sie zukommen, vorbereitet sind. Und bestenfalls freut man sich natürlich, wenn ihre Erwartungen übertroffen werden.
Kimberly
Für wen ist Nation Branding gedacht? Soll es Besucher, Touristen, Unternehmen anziehen?
Ben
Es ist für alle gedacht. Leuten aus allen Gesellschaftsschichten sollen Informationen zur Verfügung stehen, sie sollen diese Informationen erinnern und etwas Positives mitnehmen von dem, was sie gesehen, gehört und erlebt haben. Wally (Anmerkung: der verstorbene Saffron-Mitgründer Wally Olins, ein Pionier im Bereich des Nation Branding) sprach stets von den vier Vektoren des Nation Branding. Einer ist die direkte Auslandsinvestition. Dann Tourismus aller Art, von Geschäftsreisen bis Urlaub. Dann Soft Power – alles, was mit öffentlicher Diplomatie zu tun hat. Und schließlich das, was man vor Ort erlebt – das Umfeld. Diese vier Vektoren muss man so sorgfältig und aufmerksam
managen wie möglich.
Kimberly
Es geht also nicht nur um Werbekampagnen.
Ben
Nein. Wo Nation Branding für mich zum Branding im negativsten Sinne wird, ist, wenn man anfängt, um zwei Uhr morgens Werbespots auf CNN zu schalten. Man kommt spät im Hotelzimmer an und der Fernseher schaltet sich von alleine ein. Und wie sollte es anders sein – es ist CNN mit irgendeinem trübseligen Werbespot über ein Land, an das Sie noch niemals einen zweiten Gedanken verwandt haben. Immer dasselbe: ländliche Tänze, Landschaftsaufnahmen. Und man wird regelrecht angefleht: Bitte kommen Sie uns besuchen und verbringen Sie Zeit bei uns. So etwas schadet einer Nation nur. Man muss einen Ort und Dinge in diesem Ort schaffen, die so interessant und positiv sind, dass Leute ihnen aus freien Stücken Aufmerksamkeit schenken. Leute verbreiten das, was sie gesehen haben, auf sozialen Netzwerken und erzählen ihren Freunden davon. Bei Saffron denken Kreative weniger daran, was sich im Sinne von Marketing und Kommunikation tun lässt, und mehr an das, was wir tun können, um dieser Nation, dieser Stadt, dieser Region dabei zu helfen, Medien zu verdienen, anstatt dafür zu bezahlen.
… Das komplette Interview kann als PDF heruntergeladen werden.